· 

Interview mit Melanie Weigel

Kennengelernt haben wir Melanie Weigel durch das Aktionsbündnis Fairer Handel. Sie hatte bereits 2016 erfolgreich durch eine Online-Petition den Einsatz von fairem Kaffee bei der Deutschen Bahn durchgesetzt, 2018 startete sie diese Forderung erneut durch eine Petition, diesmal im Bezug auf fairen Kaffee bei Ikea, die aktuell noch läuft.

Wie Melanie ihr Anliegen durchsetzen konnte, was ihre Motivation dahinter ist und welche Themen sie noch bewegen, erfahrt ihr nun im folgenden Interview.


Stell dich doch bitte kurz vor.

Mein Name ist Melanie Weigel, ich lebe seit 2012 in Berlin. Nach meinem sportwissenschaftlichen Studium in Leipzig und Madrid, habe ich schwerpunktmäßig im sozialen Bereich gearbeitet. 

Neben der Arbeit bei der Lebenshilfe oder auf dem Holzmarkt habe ich mich nachhaltig für meine Herzensangelegenheit, nämlich den Fairen Handel, eingesetzt. 

 

Woher kommt dein Interesse für Fairen Handel? 

Mit 18 und mit 20 Jahren nahm ich an Workcamps in Ostafrika teil. Bei einem Workcamp ging es darum, durch gemeinsames Arbeiten und Leben, einen interkulturellen Austausch auf Augenhöhe zu bekommen. Vor Ort konnte ich durch Globales Lernen einen Perspektivwechsel erlangen und mein eigenes Handeln hinterfragen, sowie dessen globale Auswirkungen vermuten. Landwirt*innen, die mich vor Ort fragten, was sie verändern können, um ihre Rohstoffe wie Kaffee und Vanille nach Deutschland zu bringen, brachten mich zum Grübeln. Ich erkannte, dass auch ich ein Rädchen im System bin. Vor Ort führte uns unsere Leiterin an den Fairen Handel heran. Ihre pädagogische Herangehensweise und das Workcamp sind für mich bis heute wegweisend.

 

Das bedeutet, du bist der Meinung, dass Verbraucher*innen, eine Konsummacht haben ?

Jeder Einkauf ist ein Stimmzettel, davon bin ich überzeugt. Jedoch darf die Macht nicht allein auf den Konsumierenden lasten, auch das Café um die Ecke, nationale Firmen, sowie die Global Player, die tonnenweise Rohware abnehmen, müssen ihre Unternehmer*innen-Verantwortung erkennen und damit für eine gerechte Globalisierung stimmen. Sie sollten sich für Menschenrechte und Umweltschutz entlang ihrer gesamten globalen Lieferkette einsetzen. Boykott ist meiner Meinung nach keine Lösung, weil die Menschen in den produzierenden Ländern dadurch ihre komplette Lebensgrundlage verlieren können. Wichtiger finde ich es, mit Firmen analog und digital in Dialog zu treten und sie aufzufordern, ihre Produkte öko-fair zu beschaffen. Sie haben nämlich oft die Ausrede "der Kunde möchte das so." 

 

Du bist ja sehr aktiv im Fairen Handel und hast schon viele spannende Projekte angestoßen. Am bekanntesten ist wahrscheinlich deine Initiative für Fair Trade-Kaffee bei der Deutschen Bahn. Erzähl uns doch mal davon. Wie kam es dazu?

In meiner Studienzeit turnte ich noch aktiv im Wettkampfbereich mit meiner Mannschaft und pendelte wöchentlich mit der Bahn. Damals gab es schon den Service, das Heißgetränke zum Platz gebracht wurden. Zu dieser Zeit brannte sich bei mir der Satz ein, der in der Bahn immer vom "flying service" gesagt wurde:" Noch Kaffee gewünscht?" Ich begann zu fragen, was für ein Kaffee das ist und wie er gehandelt wurde. Darauf bekam ich die schrägsten Antworten. Es ärgerte mich, dass die meisten Mitarbeiter*innen eines staatlichen Unternehmens wie der Bahn mit Fairem Handel noch nicht in Berührung gekommen waren. So wurde eine erste Idee für eine Petition geboren.

Wie lang hat es vom Start der Petition bis zur Zielerreichung gedauert?

Zunächst hatte ich ca. 2011 schon begonnen, Unterschriften auf Papier zu sammeln. Ich fuhr also von Weltladen zu Weltladen, um die Listen auszulegen und wieder einzusammeln. Irgendwann schlief meine Aktion ein, da ich keine Kooperationen hatte und wenig Feedback bekam. Als die Online-Petitionen boomten, fiel mir meine Idee wieder ein und ich tippte den Text ab, den ich vor Jahren schon formuliert hatte und lud ihn hoch. 

Im März 2016 startete ich dann die Online-Petition und am 1.4.2017 hatte die Deutsche Bahn bereits fairen Kaffee, Tee und Trinkschokolade. 

 

Was waren für dich die größten Hürden bei dieser Initiative?

Hürde war für mich vor allem, dass ich die Petition allein und nebenbei umgesetzt habe. Außerdem hab ich immer versucht, die markt- und betriebswirtschaftlichen Strukturen von Firmen zu verstehen, das hat viel Recherchezeit gekostet und es taten sich zudem neue Fragen auf. Kritik, auch aus den eigenen Reihen, raubte mir auch einige Nerven.  

 

Aktuell hast du eine Petition am Laufen, die sich für Fair Trade-Kaffee bei IKEA einsetzt. Erzähl uns ein bisschen davon.

IKEA ist global gesehen, eines der führenden Einrichtungshäuser und in 28 Ländern mit 422 Filialen weltweit vertreten, in Europa ist Deutschland der wichtigste Standort. Hier gibt es 53 Filialen.

Ikeas Vision ist es „Vielen Menschen einen besseren Alltag schaffen“. Außerdem ist Kaffee das Lieblingsgetränk der Deutschen (vor Wasser und Bier).

Statistisch gesehen bleibt jede*r 2. Kunde*  auch zum Essen, wobei jede*r dritte ausschließlich zum Essen oder Trinken IKEA einen Besuch abstattet. IKEA rangiert bereits auf Platz 8 der größten Gastro-Ketten Deutschlands. Das Einrichtungshaus hat seit 2008 UTZ-Kaffee und ist seit 2016 zusätzlich bio-zertifiziert.

Kostenloser, bzw. unfairer Kaffee (UTZ ist immerhin ein nachhaltiges Siegel, steht jedoch nicht für Mindestlöhne oder Preisgarantie) geht zu Lasten von 25 Mio. Bauer*innen, die im Kaffeesektor schuften. Kaffee, der erst ab 1000m wächst und von Hand geerntet wird, sollte nicht dazu genutzt werden, Kund*innen länger im Laden zu halten, damit sie danach noch mehr kaufen.

Aktuell bekommt auch jede*r Kaffee gratis, der bei IKEA "Strom" tankt. Durch den "Gratis-Kaffee" wird dieses Getränk zum Ramschartikel gemacht, dabei ist es ein Luxusgetränk, das einen großen Wasserfussabdruck hat und aktuell durch den Klimawandel empfindlich getroffen wird. Zahlen tun Kunden natürlich mit ihren Daten (gespeichert auf der Family Card).

Wenn Kaffee- dann doch bitte bio und fair. 

 

 

Gab es schon eine Reaktion von IKEA?

Bisher bin ich im E-Mail Kontakt mit IKEA Food Schweden. Dabei kam raus, dass IKEA lieber auf verschiedene Siegel (UTZ+Biosiegel) statt auf eins setzt, da sie glauben, dass kein Siegel alle Herausforderungen in der Welt annehmen kann: "no certification scheme alone can fully solve systemic issues.“* Sie wuschen sich ein bisschen rein mit ihrem Kaffee-Projekt am weißen Nil, dort beziehen sie eine Serie ihres Kaffees her (UTZ, bio). Außerdem sagten sie: „We agree with you that fairtrade has a strong focus on a premium, but we believe more is needed to address complex challenges in supply chains as well as climate change, which is more and more becoming a threat for farmers livelihoods."* (*Zitate von IKEA Food aus einer Mail an mich).

Ob IKEA von UTZ verlangt, dass sie Produzentinnen eine Prämie zahlen oder wie sie ihre Lieferketten überprüfen wollen oder es selbst tun, dazu stand nichts drin. 

Aktuell bin ich auch noch auf der Suche nach Ideen, wie ich die Petition weiter voran bringen kann -wer sich für das Thema interessiert und sich mit mir vernetzen möchte, kann sich gerne der Facebook-Gruppe Ikea Fair-Trade anschließen oder mich unter MelFair auf Instagram anschreiben. Außerdem könnt ihr hier die Online-Petition unterschreiben.

 

Neben Kaffee hast du dich auch mit Fair-Trade Palmöl beschäftigt. Gibt es faires Palmöl wirklich und was bedeutet das genau?

Palmöl steckt in jedem 2. Produkt, hat aber in der Regel keinen guten Ruf. Es ist in der Vergangenheit und auch heute leider für die Vertreibung von Menschen, Regenwaldzerstörung und die Bedrohung von Tieren, sowie massive negative Auswirkungen bekannt.

Auf der Suche nach Alternativen habe ich Serendipalm entdeckt und bin dafür nach Ghana gereist, um mit diesem nachhaltigen Produzenten von Palmöl zu sprechen. Vor Ort wurde mir der sehr aufwendige Lebenslauf von der Ernte der Palmnuss bis zum fertigen Palmöl erklärt. Serendipalm ist das weltweit 1. Projekt zur Herstellung von Fair-Trade Palmöl.

Es wurde von der Naturseifenfirma Dr. Bronner`s bereits vor 10 Jahren ins Leben gerufen.

Unser Gespräch zeigte, dass ökologischer Anbau UND faire Bezahlung der Produzent*innen bei Palmöl tatsächlich möglich sind. Es sind nicht die Ölpalme oder das Palmöl an sich, weswegen das Öl in Vergangenheit in Verruf geraten ist, sondern v.a. der Anbau.

Wir schauten uns die ökologische Herstellung des Öls an, welches OHNE Ausbeutung, Sklaverei, Landraub, Brandrodung oder das Töten von Orang Utans hergestellt wurde und das alles vor Ort.

Die Wertschöpfung liegt komplett in Asuom, Ghana. Die Mitarbeiter*innen dort sind sozialversichert, bekommen Kranken- und Urlaubsgeld, es wird in die Altersvorsorge eingezahlt... diese Sozialleistungen sind in Ghana bisher nicht die Regel.

Dr. Bronner`s, Rapunzel und Gepa sind zum Beispiel Firmen, die ihr Palmöl komplett oder teilweise von Serendipalm aus Ghana beziehen, um sie in ihren Produkten wie Seife, Keksen, Nuss-Nougat-Aufstrich u.v.m. zu verarbeiten. Nachhaltiges, also bio-faires Palmöl, ist möglich. Boykott von Produkten nimmt Produzierende jegliche Existenzgrundlage. Insofern ist es mein Ansatz, Druck auf Unternehmen aufzubauen und in Dialog zu treten. Firmen nutzen nämlich oft die Ausrede: „Verbraucher*innen wollen das so.“


Hier könnt ihr Melanie im Gespräch mit einem nachhaltigen Palmölproduzenten sehen:

Video-Director (Dreh, Schnitt und Produktion): yugenyah vom indiefilmtalk


Vor einigen Tagen war ja der 8. März, der Internationale Frauentag. Gibt es für dich eine Verbindung von Fairem Handel und Feminismus und wenn ja, wie sieht diese aus?

Als Gast auf dieser Erde möchte ich mich für eine Welt stark machen, in der Menschen fair bezahlt, die Umwelt geschont wird und Frauen gleiche Rechte und gleichen Lohn wie Männer erhalten -und das weltweit! Aktiv eigenständig Handeln kann ich meiner Meinung nach erst, wenn ich mich von Fremderwartungen lösen und ein selbstbestimmtes Rollenverhalten entwickeln konnte. Meinen Einfluss sehe ich darin, faire Produkte zu kaufen. Fairer Handel stärkt gezielt Frauen, zum Beispiel durch Weiterbildungen, die Vergabe von Landrechten und Zugang zu Entscheidungsgremien. 

 

Und für all jene, die sich noch nicht so ausführlich mit Fairem Handel beschäftigt haben – warum  ist dieser so wichtig?

Für mich ist es wichtig, dass nicht nur Rohstoffe und Waren globalisiert werden, sondern auch Menschenrechte, Umweltstandards, faire Löhne, Frauenrechte, Wohlstand… Der Faire Handel setzt sich genau dafür ein. Menschen werden dort als Subjekte und nicht als Objekte der Hilfe gesehen. Für mich bietet der Faire Handel Chance viele positive Sachen gleichzeitig zu bewirken und ein Zeichen für Klimagerechtigkeit, gerechte Globalisierung und für Frauenrechte zu setzen. 

 

Gibt es schon spannende Projekte im Bereich Fairer Handel, die du für die Zukunft geplant hast?

Seit neuestem schreibe ich bei dem von Michael Sommer gegründeten Kisii Fair Trade Blog mit. Außerdem bin ich gerade selbst mein eigenes Projekt, ich möchte im Fairen Handel nun auch beruflich Fuß fassen und bin in der heißen Bewerbungsphase

 

Vielen Dank für deine Antworten, Melanie!


Das Interview führten wir schriftlich mit Melanie im Februar 2020. Alle Fotos sind urheberrechtlich geschützt und im Eigentum von Melanie Weigel oder supermarché. Nicole Jäckle, Februar 2020.


Kommentar schreiben

Kommentare: 0