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Kampagne "Sport handelt Fair"

Michael Jopp ist Koordinator der Kampagne 'Sport handelt Fair'. Die Kampagne hat es sich zum Ziel gesetzt, dass der Sport eine aktive Rolle zur Verbesserung der Menschen- und Arbeitsrechtsbedingungen in der Sportindustrie einnimmt. Konkrete Initiativen, bei der es in Berlin große Erfolge gab, sind fair gehandelte Fußbälle und Volleybälle und faire Textilien im Sport. Wir kennen Michael aus dem Steuerungskreis der Fairtradetown-Kampagne von Friedrichshain-Kreuzberg und dem Steuerungskreis des Aktionsbündnisses Fairer Handel Berlin, dessen Mitglied Michael ebenfalls ist.



Lieber Michael, bitte stelle dich und die Kampagne 'Sport handelt Fair' kurz vor und erkläre uns, was Du machst.

 

Ich bin Fachpromotor für Kommunale Entwicklungspolitik und Inhaltlicher Koordinator der Kampagne „Sport handelt Fair“.

 

Sport handelt Fair ist ein Zusammenschluss aus über 70 NGOs, Sportvereinen, Verbänden und Kommunen, die sich bundesweit aktiv für die Themen Sport, Fairer Handel und Nachhaltigkeit einsetzen. Unser Ziel ist es dabei, dass der Sport in Deutschland eine aktive Rolle zur Verbesserung der Menschen- und Arbeitsrechtsbedingungen in der Sportindustrie und Konsumartikelherstellung einnimmt. Im Kontext der Kampagne beraten wir Kommunen, Vereine und Verbände, gebe Inputs, moderieren Austausche, Workshops und Veranstaltungen und versuchen stets neue Impulse an die Mitglieder, aber auch an Interessierte des Themenfeldes weiterzugeben und aufzubereiten. So sollen Sportakteure bei der Umsetzung globaler und lokaler Nachhaltigkeitsziele empowert werden.



Seit wann läuft die Kampagne und wie ist sie entstanden?

 

Aus der oben genannten Arbeit heraus ist 2017 zunächst auf Berliner Ebene ein Bündnis entstanden mit dem Fußballverband, dem Landessportbund, der Sportmetropole Berlin, mehreren Sportvereinen und zahlreichen Berliner Bezirken. Nachdem wir uns bundesweit mit weiteren Initiativen vernetzt haben, dachten wir Ende 2019 „Mensch, lass uns doch mal etwas gemeinsam gestalten und dem Ganzen ein bisschen mehr Schwung geben“.

Das Ganze ist wirklich sehr naiv entstanden – wir haben gemerkt das viele Personen und Vereine gern etwas machen würden, aber nicht genau wussten wie genau oder an anderer Stelle das Rad zum Teil nochmal neu erfunden haben und damit wertvolle Zeit in der Umsetzung verloren haben.

 

Tja und im Mai 2020 – pünktlich zur Pandemie – war es dann so weit, unsere Auftaktveranstaltung musste zwar ins Digitale verschoben werden, aber gestartet sind wir dennoch.



Was waren die größten Hürden der Kampagne und wie habt Ihr sie gemeistert?

  

Gute Frage, ich denke eine große Hürde war und ist, dass die Kampagne – wobei einige #sporthandeltfair auch eher als ein Bündnis wahrnehmen – grundsätzlich keine eigenen finanziellen Ressourcen hat. Das bedeutet, dass die Kampagne, die Veranstaltungen, Workshops und Veröffentlichungen sich inhaltlich aus den Aktivitäten ihrer Mitglieder füllt. Das erfordert viel freiwilliges Engagement, hat aber natürlich auch einfach klare Grenzen was bspw. die Öffentlichkeits- und Pressearbeit angeht. Aber hey, jeder Nachteil ist auch ein Vorteil – da es keinen einzelnen „Geldgeber“ gibt, bewahrt sich die Kampagne auch ein hohes Maß an Unabhängigkeit. Und wenn die Idee gut genug ist, dann treibt mensch die notwendigen Taler schon immer irgendwie auf. Auch das zeichnet Themenfelder wie den Fairen Handel & globale Nachhaltigkeit ja aus, denn das Thema liegt vielen Menschen am Herzen.


Du hast uns einen Gegenstand mitgebracht, der Deine Arbeit symbolisiert. Dass es ein Fußball ist, erstaunt nicht, aber was ist an diesem Fußball besonders?

  

Hierbei handelt es sich um einen fair gehandelten Ball. Diese gibt es zwar schon länger, aber anders als bei klassischen Produkten des Fairen Handels wie Kaffee oder Bananen, hat der Ball es leider noch nicht aus der Nische geschafft. In Berlin allerdings bewegt sich da wie beschrieben einiges. Dieser Ball hier ist gebrandet von Tennis Borussia Berlin, dem bundesweit höchtsklassig spielenden Fußballverein, der zumindest im Jugendbereich jetzt auf fair gehandelte Bälle umgestiegen ist.


Was sind Eure Erfolge, auf was bist du besonders stolz?

 

Die Fairhandels-Förderung für Berliner Sportvereine über den Landessportbund. Die Ausweitung des Themas auf neue Produktbereiche wie Beachvolleyball und Sportswear-Textilproduktion. Die Umstellung der Beschaffung auf Faire Sportbälle in größeren Kommunen und Städten wie Leipzig und Hamburg, aber natürlich auch Berlin. Die positive Entwicklung im Merchandise-Bereich großer Fußballvereine, aber natürlich auch das wachsende Eigenengagement zahlreicher Breitensportvereine & Verbände. Ich könnte hier jetzt ewig weiter aufzählen und auch jede Menge Zahlen aufführen, aber was mich wirklich persönlich ein bisschen stolz macht (bin eigentlich nicht so ein Fan von diesem Wort): Als wir 2017 angefangen haben uns intensiver mit dem Thema zu beschäftigen, hatte ich die Vorstellung: „Hey, das wäre doch cool, wenn ich eines Tages hier durch den Kiez gehe und die Kids, die mit ihrem Ball vom Bolzplatz kommen, haben eine Fairen Ball in der Hand.“

Und ich meine einfach so, weil es gefühlt das neue „normal“ ist. Und tja, was soll ich sagen. Im vergangenen Sommer hatte ich diese Begegnung hier in Berlin und zwar nicht nur hier in unserem Kreuzberger Kiez sondern gleich an mehreren Orten und Sportplätzen. Das war, muss ich zugeben, schon ein ziemlich glücklicher Moment.“



Was muss im Sport noch fairer werden?

 

Alles. Trotz dieser netten Erfahrung hier in Berlin beträgt der Anteil fair gehandelter Bälle nach wie vor weniger als 1%. Die Zahlen stagnieren und nur in Berlin können wir das auch nicht lösen. Es ist schon merkwürdig, dass fast alle großen Hersteller in der Lage wären zum Beispiel fair gehandelte Bälle zu produzieren, es aber schlichtweg nicht tun.

Es gibt im Produktionsbereich des Sports noch sehr viel zu tun. Fairer Handel heißt ja nicht nur ein Label auf dem Produkt zu haben. Es bedeutet auch, das gesamte Konzept der sinnlosen Vernichtung von Neuware und massiver Über- und Neuproduktion in Frage zu stellen. Und spätestens da wird der Ton dann doch „rauer“.

Es geht eben nicht nur um die „schlimmsten“ Formen von Kinderarbeit, sondern auch um systemische Ansätze und ihr gesellschaftlichen wie klimatischen Konsequenzen.



Es gibt eine Sache, die uns in der Kampagne einfach immer wieder wichtig ist zu betonen: 

Das Thema Faire Bälle bzw. Faire Sportartikel etc. gibt es schon recht lange (seit 2006) – dennoch ist in den letzten 15 Jahren leider viel zu wenig passiert! Denn es gibt einen großen Unterschied zwischen Marketing und Transformation. Wir haben einfach keinen Bock mehr, auf den symbolischen fair gehandelten Stadtball, der extra für die Fairtrade-Town-Titelverleihung produziert wird und dann in der Vitrine des Rathauses liegt und wir wollen auch keine zusätzlichen „Nachhaltigkeitslinien“ im Textilbereich. Ziel muss es endlich sein, dass konventionelle Produkte durch nachhaltige und faire Produkte ERSETZT werden.



Du arbeitest in Kreuzberg im direkt auf dem Gelände des Bethanien. Was magst Du an dem Kiez und seiner Nachbarschaft?

  

Alles 😊. Also ehrlich gesagt bin ich wirklich ein großer Fan des Kiezes hier. Es ist für Kreuzberg verhältnismäßig entspannt, auch weil keine S- oder U-Bahn direkt um die Ecke ist. Dabei ist vieles was hier auf und um das Gelände passiert in seinem Kern häufig sehr politisch und dabei auf angenehme Weise natürlich & alltäglich. Ehrlich gesagt – und das klingt jetzt ein bisschen zu nostalgisch für einen 35-Jährigen – erinnert mich der Kiez immer an das Berlin, dass ich vor 20 Jahren zum ersten Mal erlebt habe und das ich heute als mein persönliches und politisches zu Hause empfinde. Und ja na klar, es gibt geiles Essen, rootsige Bars und sehr sympathische Kiezgestalten.


Infos zur Sport Handelt Fair-Kampagne:

Web: sporthandeltfair.com

Mail: info@sporthandeltfair.com

 

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Das Interview mit Michael von der Kampagne 'Sport handelt Fair' führten wir schriftlich im November 2021 im Rahmen unserer Nachbar*innen-statt-Models-Kampagne.

Anstatt die Modelfotos der Marken zu nehmen, deren Basics wir durchgängig im Laden führen, fragten wir unsere Nachbar*innen & Kolleg*innen, ob sie nicht unsere Models sein wollen. Mehr zu der Aktion und der Idee dahinter findet Ihr hier. Dies sind die Modelfotos, die im Rahmen der Aktion von Micheal entstanden sind. Vielen Dank für die Teilnahme an der Aktion!


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